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Blackout im Strassenverkehr: Einstellung ohne Beweis?
Rolf P. Steinegger
Im Herbst 2013 wurde ein Ehepaar auf dem Trottoir von einem Fahrzeug überfahren und schwer verletzt. Der Fahrer machte ein blackout geltend. Der von ihm beigezogene Neurologe attestierte ihm eine sogenannte „Synkope“ unklarer Ursache.
Ende März 2014 teilte die Staatsanwaltschaft den Verletzten mit, sie beabsichtige, das Verfahren einzustellen.
Will sich der Fahrer auf eine akute Bewusstseinsstörung im Strassenverkehr berufen, insbesondere auf eine Synkope, müssen klare medizinisch-physiologisch begründbare Ursachen und Mechanismen nachgewiesen sein. Als nachzuweisende Grundleiden kommen etwa in Frage: Epilepsie, Herz- und Gefässerkrankungen, gestörte Kreislaufregulation, Diabetes.
Die beabsichtigte Einstellung des Strafverfahrens erweist sich als unhaltbar: weder die Krankengeschichte des Hausarztes noch der vom Beschuldigten beigezogene Neurologe konnten solche Grundleiden nachweisen, sie wurden im Gegenteil ausgeschlossen; es fehlt ein unfallanalytisches Gutachten (lässt die Fahrt des Fahrzeuges bis zur Endlage überhaupt auf einen vollständigen Kontrollverlust des Fahrers schliessen / wo begann gegebenenfalls die ungesteuerte Fahrt und wo endete sie / wie kam das Fahrzeug zum Stehen?) und vor allem fehlt die Beurteilung eines unabhängigen Verkehrsmediziners.
Interessant: der vom Beschuldigten beigezogene Neurologe ging davon aus, nach sechs Monaten sei der Beschuldigte grundsätzlich wieder fahrtauglich.
Keine Rosen für den Staatsanwalt.
Mit Beschluss vom 16. April 2014 hat die Staatsanwaltschaft den Antrag von Steinegger Rechtsanwälte gutgeheissen und ein unfallanalytisches / verkehrsmedizinisches Gutachten angeordnet.
Mit Strafbefehl vom 07.04.2015 hat die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten wegen fahrlässiger schwerer bzw. einfacher Körperverletzung verurteilt. Dagegen hat der Beschuldigte Einsprache geführt.
Das Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 10.11.2015 hat den Strafbefehl bestätigt.
Berner Zeitung vom 11. November 2015, Seite 7; Die schlimmen Folgen des kurzen Schlafes